Strompreise: Besitzer von PV-Anlagen stinksauer
In vielen Gemeinden hat man jahrelang Einwohnerinnen und Einwohner mit hohen Einspeisevergütungen zum Bau von Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) motiviert. Für die lokalen Stromversorger ein gutes Geschäft. Jede PV-Anlage ist für die Gemeinde wie ein eigenes kleines Kraftwerk. Vor allem für jene Versorger, die über keine eigenen Kraftwerke verfügen. Doch jetzt herrscht vielerorts ein neues Strompreisdiktat. Bei Besitzern von PV-Anlagen auf Dächern von Ein- oder Mehrfamilienhäusern macht sich Unmut breit gegen die Ausbeutung durch die lokalen Stromversorger. Jetzt gibt es aber clevere Gegenmassnahmen, mit denen PV-Anlagenbesitzer noch einmal kräftig Geld sparen können.
von Kim Heckelsmüller (otovo) und Martina Gloor (soaktuell.ch)
Der Sinn einer PV-Anlage ist es, den eigenen Stromverbrauch im Haus so gut wie möglich abzudecken oder die Stromrechnung mindestens zu drosseln und damit Geld zu sparen. Gleichzeitig tut man etwas für die Umwelt. Jetzt haben die Stromversorger gemerkt, dass sie immer weniger Strom verkaufen können. Und was passiert? Anstatt den PV-Anlagen-Besitzern die Freude an Einsparungen zu lassen und damit etwas Gutes für die Umwelt zu tun, versuchen die lokalen Stromversorger mit allerlei durchschaubaren Tricks, die Stromrechnungen hoch zu halten. Die Kunden merken das und sind teilweise stinksauer. Vielerorts brechen die Gesuche für den Bau von PV-Anlagen oder der Kauf von E-Autos regelrecht ein.
Durchschaubare Tricks der Stromversorger
Ein bekannter Trick ist es, den Niedertarif, also den günstigeren Nachtstrom, abzuschaffen. So können die Stromversorger dann, wenn die PV-Anlage keinen Strom liefert, voll abkassieren.
Ein weiterer Trick ist es, die Einspeisevergütung, also die Entschädigung für überschüssigen Strom, den private PV-Anlagen in das öffentliche Netz einspeisen, auf ein absolutes Minimum zu senken. Die Begründung: Insbesondere über den Mittag und bei schönem Wetter gäbe es in Europa wegen dem Strom von PV-Anlagen einen so grossen Überschuss, das die Marktpreise dafür sinken. Deswegen bekommen PV-Anlagen-Besitzer fast nichts mehr für eingespiesenen Strom. Wehe aber, die Kundinnen und Kunden beziehen zur selben Zeit, also über Mittag oder bei schönem Wetter, Strom vom öffentlichen Netz. Dann bezahlen sie den vollen Tarif für den Strom, der zu dieser Zeit angeblich am Markt nichts wert sei.
Besitzer von PV-Anlagen fühlen sich verarscht Kein Wunder, toben viele Besitzer von PV-Anlagen. Denn die meisten von ihnen sind nicht autark. Sie brauchen also immer wieder Strom vom öffentlichen Netz, etwa im Winter, in der Nacht, oder wenn die Sonne wochenlang nicht durch den Nebel scheint. Dies, weil die Fläche des eigenen Hauses nicht ausreicht, um alle Spitzen im Verbrauch aufzufangen. "Ich bekomme sechs Rappen, wenn ich Strom über Mittag von meiner PV-Anlage einspeise, bezahle aber 28 Rappen, wenn ich Strom über Mittag beziehen muss. Das ist eine Schweinerei", sagt ein Besitzer einer PV-Anlage auf dem Dach eines Einfamilienhauses im Aaregäu.
Es gibt verschiedene Gegenmassnahmen
Die politische Ebene: Strommarkt-Liberalisierung Das beste und effizienteste Mittel für günstigeren Strom wäre eine Strommarkt-Liberalisierung. Die Verbraucher müssten dann ihren Strom nicht mehr beim örtlichen Stromanbieter nehmen, sondern könnten den günstigsten Anbieter wählen, selbst wenn der aus Genf oder Zug Strom im Kanton Solothurn oder Aargau verkaufen würde. So können die Platzhirsche nicht mehr machen was sie wollen.
Die politische Ebene: Parlament Wenn die Einspeisevergütung mit dem Argument der schwachen Marktpreise gedrückt wird, muss dies auch für den Strom im öffentlichen Netz gelten. Die gewaltige Differenz zwischen Einspeisevergütung und Strompreis im öffentlichen Netz grenzt an Betrug. Hier muss der Gesetzgeber dringend aktiv werden.
Sofortmassnahme: Zur PV-Anlage einen Speicher kaufen
Solange die Stromversorger ein durchschaubares und falsches Spiel spielen geht es darum, möglichst viel des eigenen Stromverbrauchs mit der PV-Anlage zu decken. Das kann man mit einem Speicher im Keller. Mit dem dort während dem Tag gespeicherten Strom kann man zwar kein E-Auto laden, aber den Stromverbrauch während der Nacht oder über den Mittag sehr gut abdecken.
Den Stromversorgern einen Strich durch die Rechnung machen
Und beim Thema "Speicherung von Solarstrom" gibt es jetzt eine Möglichkeit, mit der man den Anteil von selber produziertem und selber verbrauchtem Solarstrom massiv erhöhen kann. Damit kann man den Stromversorgern so richtig einen Strich durch die Rechnung machen. Anstelle einer teuren Batterie im Keller, kann man sein E-Auto für die Speicherung und das Abrufen von Solarstrom nutzen. Das nennt sich "bidirektionales Laden". Anstelle einer teuren Batterie im Keller kauft man sich lieber ein geeignetes E-Auto. Aber Achtung: Nicht alle E-Autos sind dazu in der Lage. Achten Sie darauf, dass es über die "Vehicle-to-Load-Funktion (V2L)" verfügt.
Ein Elektroauto ist die ideale Ergänzung zu Ihrer Solaranlage. Sie können Ihr Elektroauto mit dem von Ihnen produzierten Solarstrom selbstständig laden. Es geht aber auch andersherum – bidirektionales Laden ermöglicht es, den Strom Ihrer Autobatterie für deinen Haushalt zu nutzen oder diesen in das Netz einzuspeisen. Welche Möglichkeiten sich daraus ergeben und welche Voraussetzungen dafür notwendig sind, erklären wir nachfolgend.
So funktioniert bidirektionales Laden
Der Ladestrom für Elektroautos fliesst normalerweise nur in eine Richtung: in die Batterie des Elektroautos. In vielen Fällen steht das Auto oft fast den ganzen Tag in der Garage oder vor der Tür und fährt nur wenige Stunden oder gar nur Minuten. Daher könnten Sie Ihre Batterie auch als Stromspeicher nutzen. Die Möglichkeit, die Batterie des Elektroautos be- und entladen zu können, nennt man bidirektionales Laden. Diese Technologie unterscheidet drei Anwendungen:
Bei Vehicle to Home (V2H) nutzen Sie den Strom aus der geladenen Autobatterie im eigenen Haus. Sie ist damit eine Alternative oder Ergänzung zum hauseigenen, stationären Speicher. So können Sie tagsüber in der Autobatterie gespeicherten Strom abends oder nachts im Haus nutzen. Das Energiemanagement sorgt dafür, dass die Batterie am nächsten Morgen noch so viel Kapazität hat, wie Sie für Fahrten an diesem Tag benötigen. Die Batterien der Elektroautos weisen eine deutlich grössere Kapazität auf, als stationäre Speicher im Keller es tun. Sie können daher ein Haus mehrere Tage mit Strom von einem E-Auto versorgen.
Eine zweite mögliche Anwendung ist die Abgabe des Stroms an das lokale Netz, Vehicle to Grid (V2G) genannt. Hier speist das Auto (bzw. seine Batterie) Strom in das lokale Netz ein und kann helfen, den lokalen oder regionalen Energiebedarf auszugleichen. Ein intelligentes Energiemanagement lädt das Auto bei einem Überangebot an Strom und entlädt es wieder bei hohem Bedarf. Auf diesem Weg leisten E-Autos einen Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze. Vehicle to Building (V2B) werden bidirektional ladefähige E-Autos dazu genutzt, Energie zurück in Gebäude mit mehreren Bezügern zu speisen. Aber Achtung: Wenn ihr Stromversorger auch zu jenen gehört, die nur noch marginale Einspeisevergütungen von 5-6 Rappen für überschüssigen Strom ihrer PV-Anlage bezahlt, lassen Sie es gleich sein und verbrauchen Sie diesen Strom lieber selber, als ihn faktisch zu verschenken.
Gibt es bei Ihnen noch günstigeren Nachtstrom? Dann haben wir etwas für Sie: Bereits noch einen Schritt weiter geht nämlich das Modell für Tarif-optimiertes Laden und Entladen. In diesem Fall nutzen Sie zeitlich variable Stromtarife, die sich entsprechend dem Angebot an Strom aus erneuerbaren Energien verändern. Zu Zeiten mit niedrigen Strompreisen laden Sie Ihr E-Auto mit Strom aus dem Netz und bei hohen Preisen versorgen Sie Ihren Haushalt mit Strom aus der Fahrzeugbatterie. Achtung: Diese Möglichkeit macht nur Sinn, wo es noch den günstigeren Nachtstrom gibt. Wo dieser abgeschafft wurde, kann man diese Option vergessen.
Bisher gibt es bei E-Autos nur wenige Marken und Modelle, die diese "Vehicle-to-Load-Funktion" (V2L) unterstützen. Bei E-Auto sind genau deshalb die asiatischen Hersteller Nissan, Mitsubishi, Honda oder Hyundai und Kia führend. Die Europäer haben diese Technik serienmässig verschlafen.
Welches Speicherpotenzial steckt in dieser Technologie?
Stromspeicher bekleiden in der Energiewende eine Schlüsselfunktion. Sie sind notwendig, um das schwankende Stromangebot aus erneuerbaren Energien an den jeweiligen Bedarf anpassen zu können und um sich weiter von lokalen Stromversorgern zu emanzipieren. Batteriespeicher, wie die von Elektroautos, sind Kurzzeitspeicher, die mehrere Ladezyklen am Tag durchlaufen und Netzdienstleistungen anbieten können. Die Schweiz erwartet bis 2030 1,3 bis 1,8 Millionen zugelassenen vollelektrischen Autos (Quelle: Swiss eMobility). Das ist machbar, sofern die Hersteller endlich die Preise von E-Autos um 20-30 Prozent senken. Sie sind heute viel zu teuer.
Auch als Heimspeicher bietet die Batterie im Elektroauto grosses Potenzial. Normale stationäre Batteriespeicher haben üblicherweise eine Kapazität zwischen 5 und 10 kWh. Die Batterie im E-Auto kann fast das Zehnfache an Energie speichern. Normalerweise lädt das Energiemanagement Ihr E-Auto mit Strom aus der PV-Anlage, wenn der Haushalt bereits versorgt ist. Durch bidirektionales Laden können Sie das Haus auch mit Strom aus dem Auto versorgen, zum Beispiel in der Nacht oder wenn der Himmel tagsüber bedeckt ist. So erhöht sich Ihr Eigenverbrauch, auch ohne stationären Speicher.
Wirtschaftliches Potenzial von bidirektionalem Laden
Lohnt sich der Aufwand für bidirektionales Laden? Die Einsparungen hängen sehr stark von der Verwendung des Fahrzeugs, der Entwicklung der Strompreise und dem Stromverbrauch in Ihrem Haushalt ab. Eine Einspeisung von Strom aus der Fahrzeugbatterie ins Netz macht nur noch Sinn, wenn die Einspeisevergütung attraktiv ist. Für 5-6 Rappen müssen Sie Ihren Strom nicht verschenken.
Welche Voraussetzungen fehlen für den Einsatz von bidirektionalem Laden?
Um das Elektrofahrzeug als Ersatz für einen Heimspeicher nutzen zu können, benötigen Sie eine PV-Anlagen und eine Wallbox (Ladestation an der Wand, für den heimischen Gebrauch) sowie natürlich ein Elektroauto, welches in beide Richtungen laden kann. Ausserdem braucht es auch einen Ladestecker, der die erforderliche Datenkommunikation zwischen Auto und Ladeinfrastruktur ermöglicht.
Einen solchen Stecker gibt es bislang nur in Japan oder von japanischen Fahrzeugherstellern mit dem CHAdeMO Standard. Mit dem in Europa üblichen CCS (Combined Charging System) Stecker soll diese Kommunikation in Zukunft jedoch ebenfalls möglich sein.
E-Autos für bidirektionales Laden (Stand: 31.12.2024)
Bisher gibt es nur wenige Elektroautos, denen es möglich ist, in beide Richtungen zu laden. Hierzu zählen insbesondere Autos von japanischen Herstellern Nissan und Mitsubishi, die den CHAdeMO-Stecker nutzen. Aber auch südkoreanische Modelle können wieder entladen werden. Dazu gehören der Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6. Diesen ist es nur möglich, einzelne Geräte mit Strom zu versorgen, nicht aber zum Beispiel dein Haus. Wo das erstmals möglich ist, ist beim neuen Kia EV9. Ferner kann auch der Honda e geladen und entladen werden.
Es gibt bisher nur sehr wenige Wallboxen auf dem Markt, die bidirektionales Laden ermöglichen. Diese sind auch entsprechend teuer. Noch muss man mit einem Preis von mehreren tausend Euro rechnen, während eine handelsübliche Wallbox für weniger als tausend Euro erhältlich ist.
Bei Otovo kann man seit Beginn des Jahres nun auch eine Wallbox zur Solaranlage erhalten. Sie möchten mehr darüber erfahren? Dann machen Sie sich bei uns schlau und erfahren Sie, welche Ladestationen für Ihr E-Auto wir in der Schweiz verkaufen, wie teuer diese Produkte sind und welche Vorteile sie haben.
Mit dem Auto als Batteriespeicher können Sie ohne grössere zusätzliche Investitionen (gerade wenn Sie sowieso ein E-Auto kaufen wollen) Ihre Unabhängigkeit vom Energieversorger erhöhen. Es lohnt sich also, diese Entwicklung auch weiterhin zu verfolgen.