Strafanzeige: Wurden Unterschriften bei Volksinitiativen und Referenden gefälscht?
Die Bundeskanzlei hat bei der Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige wegen Verdachts auf Wahlfälschung eingereicht. Die Anzeige richtet sich gegen Unbekannt. Die der Strafanzeige beigefügten Beweismittel deuten darauf hin, dass Unterschriften, die von den Behörden für ungültig erklärt wurden, gefälscht worden sein könnten.
BK
Bundeshaus. Symbolbild von Katharina Wieland Müller / pixelio.de
Die Bundeskanzlei hat bereits im Jahr 2022 eine Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht wegen des Verdachts, dass Unterschriften für Volksinitiativen gefälscht worden sein könnten. Diese Anzeige hat sie zwei Mal um neue Beweismittel ergänzt. Es ging dabei stets um Meldungen aus einem einzigen Kanton. Die heute von der Bundeskanzlei eingereichte zweite Strafanzeige umfasst Verdachtsfälle aus mehreren Kantonen aus dem laufenden Jahr, die auf eine weitere Täterschaft hindeuten.
Die Strafanzeige umfasst Verdachtsfälle, auf die die Bundeskanzlei bei der Kontrolle und Auszählung von Unterschriftenlisten gestossen ist. Bei vertieften Überprüfungen, die seit 2022 durchgeführt werden, beachtet die Bundeskanzlei auch die von den Gemeinden bereits als ungültig erklärten Unterschriften. Dabei hat sie Auffälligkeiten festgestellt, die auf Fälschungen hindeuten, zum Beispiel verschiedene Handschriften bei Mehrfachunterzeichnungen derselben Person.
Weiter bündelt die Strafanzeige fünfzehn Hinweise auf Fälschungen, auf die die Bundeskanzlei von Gemeinde- und Kantonsseite hingewiesen wurde sowie in einem Fall von einer Einzelperson. Einige dieser Hinweise betreffen einzelne Unterschriften, die meisten eine Anzahl Unterschriften im tiefen zweistelligen Bereich.
Insgesamt geht es um rund 950 mutmasslich gefälschte Unterschriften aus sechs Kantonen für fünf verschiedene Volksinitiativen. Häufige Gründe für den Fälschungsverdacht und die Ungültigerklärung sind neben der bereits erwähnten verschiedenen Handschriften bei Mehrfachunterzeichnungen vor allem falsche Geburtsdaten, falsch geschriebene Namen, falsch geschriebene oder erfundene Adressen sowie Unterschriftenlisten, die die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllen. Weitere Einzelheiten zur Strafanzeige gibt die Bundeskanzlei aus Rücksicht auf das hängige Verfahren nicht bekannt.
In den letzten Wochen wurden neue Fälle missbräuchlicher Sammelpraktiken aufgedeckt. Seither schöpft die Bundeskanzlei die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten voll aus, um die Integrität des Sammelprozesses zu schützen. Sie setzt neben strafrechtlicher Verfolgung, indem sie Verdachtsfälle zur Anzeige bringt, auch auf Prävention und die Verbesserung der Abläufe.
So wird der Bundeskanzler demnächst einen permanenten runden Tisch einberufen mit dem Ziel, dass sich Anbieter und Käufer von Unterschriften zu Transparenz- und Verhaltensregeln verpflichten, die Unterschriftenfälschungen verhindern. Ein engmaschigeres Monitoring der Unterschriftensammel- und Kontrollprozesse ist im Aufbau. Die Bundeskanzlei hat auch Kontakt mit der Wissenschaft aufgenommen, um technische Lösungen zum Schutz der Unterschriftensammlungen vor Missbrauch und Betrug zu prüfen.
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