Kanton Aargau: Neuer Höchststand im Asylwesen
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat dem Kanton Aargau im Jahr 2024 2'609 Personen aus dem Asylbereich zugewiesen. Der Personenbestand in Gemeinde- und in kantonalen Unterkünften ist auf bereits hohem Niveau noch einmal leicht gestiegen und beträgt per 1. Januar 2025 9'572 (Stand 1. Januar 2024: 9'026). Die regulären Unterbringungskapazitäten sind auch zwei Jahre nach Ausrufung der Notlage im Asylwesen überlastet, weshalb der Kantonale Sozialdienst (KSD) zurzeit sieben unterirdische Notunterkünfte betreibt.
Departement Gesundheit und Soziales
Der Kanton Aargau befindet sich im Asylbereich seit dem 11. Januar 2023 in einer Notlage gemäss § 2 des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes Aargau (BZG-AG). Im Zusammenhang mit der Ausrufung der Notlage hat der Regierungsrat gestützt auf die Kantonsverfassung und das BZG-AG per 14. Januar 2023 die Verordnung über die Bewältigung sozialer Notstände betreffend schutzsuchende Personen (VBNS) in Kraft gesetzt. Diese Verordnung war auf zwei Jahre befristet und läuft nun aus. Während die Notlage weiterbesteht, fallen die in der Verordnung geregelten Erleichterungen betreffend Brandschutz sowie das vereinfachte und verkürzte Baubewilligungsverfahren, das praktisch vor allem Container für Aussenaufenthalte betrifft, weg. Für die weitere Schaffung von unterirdischen Notunterkünften in Schutzanlagen bedeutet dies, dass der KSD eine längere Vorlaufszeit in Kauf nehmen muss. Teilweise müssen die Baubewilligungen für Aussenaufenthaltscontainer erneuert werden.
Betrieb Notunterkünfte
Die sieben Notunterkünfte mit total 970 Plätzen sind aktuell zu 57 Prozent ausgelastet. Die freien Plätze der Notunterkünfte stellen im Wesentlichen die kantonalen Reservekapazitäten für einen Anstieg der Zuweisungen dar. Der KSD berechnet basierend auf den Prognosen des SEM laufend Szenarien, wie lange die Kapazitäten bei unterschiedlich hohen Zuweisungszahlen ausreichen. Wenn absehbar wird, dass die freien Kapazitäten nicht mehr ausreichen, nimmt der KSD die Eröffnung einer weiteren Notunterkunft an die Hand. Die Betreuung in den Notunterkünften erfolgt durch die ORS Service AG oder die Securitas AG.
Die unterirdische Unterbringung ist – insbesondere für Familien – nicht ideal, aber mangels oberirdischer Unterbringungsplätze nötig und praktikabel. Bei einem Rückgang der Zuweisungen wird der KSD die Notunterkünfte schrittweise schliessen.
Situation in den Gemeinden
Auch die Aargauer Gemeinden sind stark gefordert im Bereich Unterbringung. Seit Ende Februar 2024 mussten sechs Gemeinden temporär eine Ersatzabgabe nach kantonalem Recht leisten, weil sie die Aufnahmepflicht zumindest vorübergehend nicht erfüllen konnten. Die Überlastung betrifft aber nicht nur die Unterbringungssituation. Viele Gemeinden mussten auch ihre Sozialdienste personell aufstocken, um die Administration der Sozialhilfefälle zu bewältigen. Dies ist für die Gemeinden mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden. Es ist für alle Beteiligten (Betreuungsdienstleister, Gemeinden und Kanton) auch zunehmend schwierig, das nötige Betreuungspersonal zu rekrutieren. Insbesondere sind Personen mit Abschluss in Sozialpädagogik oder in sozialer Arbeit gesucht, die unbegleitete Minderjährige aus dem Asylbereich (UMA) betreuen.
Beschulung der Kinder im Flüchtlingswesen
Für alle Kinder und Jugendlichen aus dem Asylbereich gelten die Schulpflicht und das Recht auf Schulunterricht. Die Gemeinden sind verpflichtet, Kinder und Jugendliche aus dem Asylbereich wie alle Kinder in den öffentlichen Schulen zu beschulen.
Der KSD bereitet schulpflichtige Kinder und Jugendliche aus dem Asylbereich in der Regel während den ersten sechs Monate in Einschulungsvorbereitungskursen (EVK) auf den Übertritt in die reguläre Volksschule vor. Anschliessend besuchen die schulpflichtigen Kinder die Volksschule in den Gemeinden. Der Aargauer Volksschule ist es seit 2022 trotz anhaltendem Druck auf das Schulsystem gelungen, bis zu 1'100 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in den Regelunterricht zu integrieren. Soweit möglich und sinnvoll erfolgt der Unterricht gemäss ordentlichem Lehrplan. Zusätzlich organisieren die Schulen eine bedarfsgerechte Förderung der Kinder beim Erwerb von Deutsch als Zweitsprache im Rahmen der vorhandenen Ressourcen. Dies stellt vor allem für Gemeinden mit grösseren Familien- oder UMA-Unterkünften eine Herausforderung dar. Das Departement Bildung, Kultur und Sport hat aus diesem Grund die Rechtsgrundlagen geschaffen, um betroffene Schulen mit zusätzlichen Ressourcen (Erhöhung der Pensen Lehrpersonen und Schulleitung) unterstützen zu können. Spätimmigrierte Jugendliche und junge Erwachsene, die erst nach vollendetem 16. Lebensjahr in die Schweiz einreisen, treten nicht mehr in die Volksschule ein. Für sie bestehen zielgruppenspezifische Angebote an der Kantonalen Schule für Berufsbildung (ksb). Das Brückenangebot Integration wurde in den letzten zwei Jahren ausgebaut.
Sicherheitslage
Die Kantonspolizei bestätigt, dass sie insgesamt in allen Asylbewerberunterkünften im Kanton Aargau aus polizeilicher Sicht sehr wenig nennenswerte Vorfälle zu verzeichnen hat. Es handelte sich vorwiegend um Bagatellen wie kleine Streitereien, die meistens mit einer kurzen Intervention erledigt sind.
Die hohe Zahl der Asylsuchenden hat dennoch Folgen für die Sicherheit der Bevölkerung. Seit Herbst 2022 sind die Fahrzeugdelikte (Fahrzeugaufbrüche, Diebstähle aus unverschlossenen Fahrzeugen) im Kanton Aargau im Vergleich zu den Vorjahren sprunghaft angestiegen und haben sich von 2021 auf 2022 auf über 600 Delikte verdoppelt. Im Jahr 2023 hat nochmals mehr als eine Verdoppelung der Fälle auf über 1'500 Delikte stattgefunden. 2024 sind die Fallzahlen auf sehr hohem Niveau geblieben und haben sich gegenüber 2023 um ca. 20 Prozent auf etwas über 1'200 Fälle reduziert. Nebst den Fahrzeugdelikten ereigneten sich auch viele Fahrraddiebstähle. Die Täterschaft hat die Fahrräder jeweils zur Verschiebung zwischen den Tatorten oder an den nächsten Bahnhof verwendet.
Nachdem Mitte des Jahres 2023 trotz polizeilicher Massnahmen keine Besserung in Sicht war, hat das Departement Volkswirtschaft und Inneres die Aktion "Crime Stop" lanciert (wie bereits 2012/2013), um der erhöhten Kriminalität auf diesem Gebiet zu begegnen. Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendanwaltschaft sowie Amt für Migration und Integration führen diese interdisziplinäre Zusammenarbeit weiter.
Als Hauptverursacher für die Fahrzeugdelikte treten Migranten aus den Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien auf. Sie stammen in der Regel aus Asylzentren in der ganzen Deutschschweiz und der Westschweiz. Ermittlungsergebnisse zeigen vereinzelt auch Bezüge zum nahegelegenen Ausland, insbesondere dem Elsass. Dieselbe Klientel hat in letzter Zeit vermehrt Einschleichdiebstähle in Wohn- und Nebenräume verübt. Mittlerweile kommen zunehmend Einbruchdiebstähle in verschiedene Objekte (Einfamilienhäuser, Geschäftsräume) sowie vereinzelt auch Fahrzeugdiebstähle (Personenwagen) hinzu.
Die maghrebinischen Bewohner des Bundesasylzentrums Brugg sind zum Teil auch mitbeteiligt an den Fahrzeug- und Einbruchsdelikten, jedoch machen sie gemäss den bisherigen Ermittlungsergebnissen der Kantonspolizei Aargau nicht den Hauptteil aus. Diese Bewohner fielen im Raum Brugg vor allem durch Ladendiebstähle auf.
Ausblick 2025
Für das Jahr 2025 liegen seitens SEM noch keine Prognosen vor. Für den Beginn des Jahres rechnet der KSD mit ähnlichen Zahlen wie Ende 2024. Der weitere Ausblick ist geprägt von Unsicherheiten betreffend den Verlauf des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, den Machtwechsel in Syrien sowie die weltweiten Flucht- und Migrationsbewegungen. Ein erneuter rascher Anstieg von Asylsuchenden bleibt möglich. Angesicht der bestehenden hohen Belastung wäre mit negativen Folgen für das Asylsystem zu rechnen.
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